Kultur

100 Jahre Ort der Bücher und des Wissens

Bibliothek feiert Jubiläum – 20. Oktober 1920 – Heute mehr als ein Ort des gedruckten Wortes

Erschienen am 04.01.2021

Mit Bibliothek verbinde ich vor allem das Wort „Pschtscht", sofern dies überhaupt ein Wort ist. Jedenfalls steht es als Synonym für Stillschweigen allenfalls Flüsterton. Vor meinem geistigen Auge sehe ich große ehrwürdige Hallen gefüllt mit Büchern, von sogenannten „alten Schinken" über Raritäten, Bestsellern und Lexika, bis unters Dach. Menschen sitzen vereinzelt an Tischen, versunken in Literatur, studieren sie, recherchieren sie, reichern sie sich Wissen an. Die Bibliothek ist der Ort der Bücher und des Wissens. Sie ist der Ort, der unsere jahrtausend alte Geschichte vereint, sie begehbar und begreifbar macht. Der Ort, der unabhängig, tolerant, transparent und meinungsoffen alle Facetten unseres Lebens, unserer Gesellschaft und unsere Vergangenheit widerspiegelt.

Ort der Bücher und der modernen Medien

„Wenn du einen Garten und dazu noch eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen", zitiert Sozialdezernentin Sandra Wanzar Marcus Tullius Cicero und sagt: „Es beschreibt sehr schön, was unsere Bibliothek ausmacht. Sie ist ein Ort der Begegnung und der Bildung. Heute vor 100 Jahren begann eine neue Ära."

Der 20. Oktober 1920 gilt als Geburtstag, denn da wurde die „Freie öffentliche Landesbücherei Gera" gegründet, der Vorläufer der heutigen Stadt- und Regionalbibliothek. Zum Leiter der Institution wurde der bisherige Leipziger Arbeiterbibliothekar Gustav Hennig bestimmt. Ihr erstes Zuhause fand die Freie Öffentliche Landesbücherei in der Villa Münch in der Goethestraße 1a. Bereits Ende 1920 verfügte sie über einen Bestand von 8.000 Bänden und hatte 886 Leser. Seit 1972 befindet sich die Stadtbibliothek am Puschkinplatz 7. „Seit der Gründung vor fast 100 Jahren hat sich allerdings vieles stark verändert. Heute ist die Stadtbibliothek ein lebendiger Treffpunkt für alle, die Informationen, Wissen und Unterhaltung suchen. Man findet hier unter einem Dach Romane und Sachliteratur, Kinder- und Jugendbibliothek, Musikbibliothek und Regionalkundliche Bibliothek. Lese- und Arbeitsplätze in den Ausleihbereichen, im Informationszentrum und im Foyer laden zum Verweilen ein. Eine Galerie präsentiert wechselnde Ausstellungen regionaler Künstler, Schülerarbeiten und Projekte, zum Beispiel im Rahmen der Städtepartnerschaften. Im Zeitalter der Digitalisierung gewinnt sowohl das Lesen, als auch der Raum Bibliothek weiter an Bedeutung. Bibliotheksbenutzer suchen nicht mehr nur das klassische Buch für neue Informationen und Wissen, sondern einen Ort für Austausch und Unterhaltung", resümiert die Sozialdezernentin und dankt jenen Unterstützern, die zur erfolgreichen Arbeit der Bibliothek beigetragen haben, darunter dem Freistaat Thüringen, der Landesfachstelle für öffentliche Bibliotheken in Thüringen, dem Förderverein „Buch und Leser e. V.", der Sparkasse Gera-Greiz und der Energieversorgung Gera sowie mehr als 40 Kooperationspartnern, darunter zahlreiche Kindertagesstätten, Schulen, Gymnasien, Freizeit- und Bildungs- und Sozialeinrichtungen und nicht zuletzt den Mitarbeitern der Bibliothek und treuen Nutzern.
Seit 2012 bietet die Bibliothek die elektronische Onleihe an. Über den Verbund ThueBibNet besteht für Bibliotheksnutzer die Möglichkeit, digitale Medien wie eBooks, ePaper, eAudios etc. unabhängig von Öffnungszeiten der Bibliothek 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche über das Internet auszuleihen. „Etwas ganz Besonderes ist die neue ‚GeraTHek'", macht Rainer Schmidt, Leiter der Bibliothek neugierg. „Die bisherige regionalkundliche Abteilung, bei der es keinen freien Zugriff auf die Bestände gab, wurde zu einer Freihandbibliothek umgestaltet. Etwa 8.200 Medien, beginnend bei Büchern, Broschüren, über VHS-Kassetten und DVDs bis zu Landkarten und etwa 115.000 Zeitschriftenartikel über Gera und Thüringen stehen dort interessierten Bürgern zur Verfügung. Dabei kann das meiste entliehen werden; ein Teil des Bestandes steht aufgrund seiner Einmaligkeit und Nichtwiederbeschaffbarkeit auch weiterhin nur vor Ort zur Nutzung bereit. Zusätzliche moderne Arbeitsplätze wurden geschaffen sowie Vorführmöglichkeiten für Präsentationen und Filme."


Im Rahmen des Jubiläums entstand eine Ausstellung „pure Lust am Lesen" mit Lese(r)fotos, bis seit September zu sehen war und noch bis zum 30. Oktober zu sehen ist. Vitrinen im Foyer zeigen – den 100. Geburtstag zum Anlass nehmend – 100 Lesezeichen aus zurückgegebenen Büchern. Die Haltestelle der Stadtbahnlinie 1 am Puschkinplatz erhielt den Zusatz „Bibliothek" und dank einer Crowdfunding-Aktion des Bibliotheksfördervereins entsteht zurzeit an der Außenfassade ein farbiger Büchersockel, der bereits von weitem auf das Haus der Medien aufmerksam macht. „Der Fassadensockel stößt bereits jetzt bei Passanten auf große Zustimmung und wird nun nach einigen Verzögerungen spätestens Ende Oktober fertiggestellt sein", weiß Rainer Schmidt.

Statistische Zahlen

Insgesamt verzeichnete unsere Bibliothek im letzten Jahr über 480.000 Medienentleihungen. Mit über 125.000 Besuchern war die Bibliothek eine der am meisten frequentierten öffentlichen Einrichtung in Gera. Den Jüngsten Bücher und Bibliotheken nahe zu bringen, ist ein Schwerpunkt der Bibliotheksarbeit, denn Lesen ist und bleibt Grundvoraussetzung für die aktive Teilnahme an der Gesellschaft.
145.833 Medien
(Gesamtbestand), davon:
Belletristik 31.292
Kinderliteratur 23.619
Sachliteratur 56.138
Zeitschriften 2096
AV-Medien 25.049
(6.162 Hörbücher, 110 Tonies, 10.261 CD, 4.304 LP, 4.322 Filme, 534 Brett-, Tisch-, Familienspiele, 697 elektronische Spiele)
e-Medien 88.576 (Onleihverbund)

Historische Fakten

20. Oktober 1920: Gründung der „Freien öffentlichen Landesbücherei Gera", Goethestraße 1a
1. April 1923: aus der „Freien öffentlichen Landesbücherei Gera" wird „Thüringische Landesbücherei Gera"
1925: eine „Staatliche Beratungsstelle für das volkstümliche Bücherwesen Thüringens" kommt hinzu
1926: Eröffnung einer Abteilung für Musikliteratur
1931: Höchste Leseintensität seit der Gründung: 2.900 registrierte Leser leihen 58.000 Bände aus
1933/34: 800 Bände werden aus politischen Gründen ausgesondert
1940: 173 Bücher jüdischer Schriftsteller werden ausgesondert
April 1945: amerikanische Truppen besetzen das Bibliotheksgebäude
Mai 1945: Bemühungen des Antifa - Ausschuss um Wiedereröffnung
27. November 1945: Wiedereröffnung der Bibliothek in der Goethestraße 1a
1950: Übernahme der Bibliothek durch die Stadt Gera
1. November 1954: Bibliothek erhält den Name „Stadt- und Bezirksbibliothek Gera"
12. August 1957: Kinderbibliothek eröffnet am Puschkinplatz (heute: Tonhalle)
1. November 1962: Bibliothek präsentiert sich als Freihandbücherei
1964: Bibliothek wird Mitglied im Bibliotheksverband der DDR
21. Juni 1964: Kinderbibliothek zieht um in neue Räume in der Straße der Republik
1967: Eröffnung der Musikbibliothek
10. Mai 1970: Eröffnung der Schallplattenausleihe
23. Mai 1972: Umzug und Neueröffnung der Bibliothek am Puschkinplatz
12. Oktober 1982: Kinder- und Musikbibliothek eröffnen nach umfangreicher Renovierung in der Goethestraße 1a
15 Mai 1985: Namensverleihung „A.S. Puschkin"
15. April 1986: Eröffnung der umgestalteten und erweiterten Bibliothek am Puschkinplatz, Kinderbibliothek und Musikbibliothek sind nun auch hier untergebracht.
28. Januar 1987: Eröffnung des Territorialkundearchivs der Bibliothek
1. Januar 1993: Beginn der Ausleihe von Videos
18. Februar 1993: Wissenschaftliche Allgemeinbibliothek wird Stadt- und Regionalbibliothek
25. Mai 1999: Beginn des Umbaus der Bibliothek am Puschkinplatz
1. Februar 2007: Eröffnung des neu gestalteten Informations - Zentrums (IZ), drei Internetarbeitsplätze wurden mittels Spenden der Sparkasse Gera - Greiz und des Fördervereins „Buch & Leser" neu eingerichtet und den Bibliotheksbesuchern zur Nutzung übergeben.
25. Oktober 2008: Einweihung der Jugendbibliothek
2011: Online Katalog und Onlinezugriff auf das eigene Leserkonto, Twitter und Facebook
4. September 2012: Beitritt zum ThueBIBNet, Start der Onleihe
2017: Thüringer Bibliothekspreis

Leiter der Bilbiothek

1920 – 1922: Gustav Henning
1922 – 1938: Walter Hallbauer
1950 – 1976: Marianne Burkhardt
1977 – 1988: Hans Embersmann
1988 – 1990: Volker Hartdung
1991 – 2010: Dr. Manfred Grätz
seit 2010: Rainer Schmidt

 

Fanny Zölsmann

 

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