Gesellschaft

Abseits und doch mittendrin

Andree Lada erzählt von sich

Erschienen am 26.02.2021

Neues Gera berichtet über Menschen, die oftmals Abseits des Lebens stehen. Die gestrandet sind und ihre Kraft für das eigene Leben aufzustehen, irgendwo am Wegesrand verloren haben. Es sind Menschen aus der Geraer Tagesstätte für psychisch und seelisch kranke Menschen des Rehabilitations-Zentrums Stadtroda. Sie erzählen freiwillig ihre Geschichten, nach ihrem eigenen Ermessen, mit ihrem zurück gewonnenen Mut. Sie geben dem Leser Einblicke in ihr Leben, in ihre Intimität. 

Andree Lada ist 57 Jahre alt. Zeit seines Lebens kämpft er mit seinen Nerven. Im Alter von drei Monaten erkrankt er an Masern mit Lungenentzündung. „Jedoch blieb diese Erkrankung viele Monate unerkannt. Erst als ich ein Jahr alt war, wurde die folgenschwere Erkrankung festgestellt", erzählt Andree Lada. Denn fortan werden seine Nerven sein Leben zeichnen. Mit 18 Jahren erhält er den Schwerbehindertenausweis. Seine Ausbildung zum Fleischer muss er nervenbedingt abbrechen. Er erlitt einen Zusammenbruch. „Die Ärzte haben mir viele Medikamente gegeben, zu viele." Zwei Jahre sollte es dauern, bis er soweit aufgepäppelt war, dass er während der Reha eine neue Ausbildung zum Obstbauer absolvieren konnte. Bis 1990 arbeitet er als solcher, die Wende brachte ihn für kurze Zeit nach Bremen. Er wollte von den neuen Möglichkeiten partizipieren. „Ich wollte mich verändern und die Vergangenheit vergessen." Doch er fand keine Arbeit und kam zurück. Er blieb arbeitslos. Seine Schwerbehinderung macht ihm stets zu schaffen. Er ist zu 70 Prozent behindert, 50 Prozent davon aufgrund seiner Nerven, 20 Prozent wegen seiner einseitigen Hörschwäche. Im Laufe der 90er Jahre erhält er die Chance – eine Anstellung auf dem zweiten Arbeitsmarkt. Lange Zeit kann er sich hier unter Beweis stellen, ist anerkannt und produktiv. 2008 zieht er von Bieblach nach Lusan. Er erbt und kann sich aufgrund seiner Anstellung eine bessere Wohnung leisten. Bis 2019 wird er seinen Außenarbeitsplatz behalten, dann wird dieser eingestellt, eine neue Aufgabe findet sich leider nicht. 

Wenige Monate verbringt er zu Hause bevor er den Tipp vom Sozialen Dienst erhält, sich in der Tagesstätte Zwötzen vorzustellen. Seit 5. Januar 2020 kommt er nun täglich. Abwechselnd lebt er seine Kreativität und sein Geschick beim Töpfern, Malen oder in der Holzwerkstatt aus. Es bereitet ihm Freude, die Menschen sind nett und er ist gut angekommen. „Ich bin froh, hier zu sein. Ich möchte nicht mehr zurück", zeigt sich Andree Lada dankbar. Tagesstättenbesucherin Marina entwickelt sich zur Freundin. Sie wohnt zudem in der gleichen Straße. In der Tagesstätte hat Andree Lada seine Nerven im Griff, die ihm oft einen Streich gespielt haben, wenn der Stress zu groß wurde. „Dann habe ich starke Wutausbrüche, die ich nur schwer kontrollieren kann." Andree Lada ist mit drei Schwestern und einem Bruder groß geworden. Sie alle leben in Zeitz und Eisenberg, seine Mutter lebt mit ihrem neuen Partner in Bayern. „Nur meine jüngste Schwester hat nach den Gründen gefragt, warum ich so bin, wie ich bin. Ich bin ja nicht krank geboren. Als einzige interessiert sie sich für mich. Sie versteht mich am besten", dankt er seiner jüngsten Schwerster.

 Die Tagesstätte für psychisch und seelisch kranke Menschen in der Debschwitzer Straße 26, besteht seit mehr als 25 Jahren und arbeitet seit 2004 in Trägerschaft der Rehabilitations-Zentrum Stadtroda gGmbH. Sie bietet mit derzeit 24 Plätzen bedürftigen Menschen im Rahmen der Eingliederungshilfe und nach individuellem Hilfebedarf Unterstützung zur Teilhabe am Gemeinschaftsleben und zur Vorbereitung zur Teilhabe am Arbeitsleben. Neun Mitarbeiter tragen mit tagesstrukturierenden Angeboten dafür Sorge, dass sich die Besucher entsprechend eigener Fähigkeiten und Bedürfnisse einbringen und Fortschritte erzielen können, um ihren Lebensalltag besser zu meistern. In fünf Arbeitsbereichen wie Café, Wäscherei, einer kleinen Holz und Keramikwerkstatt und in der Stadtteilbibliothek Gera-Langenberg haben die Leistungsnehmer Gelegenheit, sich auszuprobieren, Fertigkeiten zu erwerben und persönlichen Erfolg zu erleben.

 

Fanny Zölsmann

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