Politik

„Wir bekommen zu wenig Geld”

Machten im Kultur- und Kongresszentrum in Gera auf die Herausforderungen beim Kommunalen Finanzausgleich aufmerksam: (v.l.) Andreas Bausewein (OB Erfurt), Katja Wolf (Oberbürgermeisterin Eisenach), Julian Vonarb (OB Gera), Thomas Nietzsche (OB Jena) und Andre Knapp (OB Suhl).

Erschienen am 09.07.2021

 Es ist im Großen wie im Kleinen. Wenn das Taschengeld der Kinder alle ist, halten sie die Hände in Richtung ihrer Eltern auf. In unserem Fall ist das Kind die kreisfreie Stadt und die Eltern das Land Thüringen. Die Kommunen im Freistaat fühlen sich nicht auskömmlich ausgestattet. Doch jetzt wurde das Gefühl mit Tatsachen untermauert. 

Das Thüringer Ministerium für Inneres und Kommunales hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, um den kommunalen Finanzausgleich zu überprüfen. „Es bringt auf den Punkt, was wir schon lange wissen. Das Finanzwissenschaftliche Forschungsinstitut der Universität Köln stellt klar und deutlich fest, dass die Finanzausstattung der Gemeinden, insbesondere der kreisfreien Städte, also auch Gera, nicht dem verfassungsgemäßen Anspruch genügt und zeigt auf, dass vor allem die kreisfreien Städte im Vergleich zu den Verwaltungsebenen ‚Freistaat Thüringen' und ‚Landkreise' bisher am schlechtesten finanziert sind", erklärt der Oberbürgermeister Julian Vonarb. 

Anlass genug für die sechs Oberbürgermeister der kreisfreien Städte Gera, Jena, Weimar, Erfurt, Suhl und Eisenach zusammenzukommen, um ein klares Statement in Richtung Land zu formulieren. Denn das Gutachten sagt aus, dass den kreisfreien Städten, ausgehend von der Schlüsselmasse des Jahres 2019, zum Ausgleich dieser Benachteiligungen in Summe ein Betrag von mindestens 70 Millionen Euro jährlich mehr zur Verfügung gestellt werden müsste. Doch nicht alle Städte würden ein Plus auf der Habenseite verbuchen können. Ausgerechnet Gera fällt aus der Rechnung. „Auch wenn wir das vorgestellte novellierte Finanzausgleichsmodell begrüßen, können wir es nicht vorbehaltlos annehmen. Konkret für Gera hieße es, dass wir rund zwei Millionen Euro von dem Geld, welches wir schon bekommen haben, zurückzahlen müssen. Wir würden also aktuell nicht davon profitieren", führt der OB aus. 

Laut dem Gutachten ergibt sich für Gera folgende Berechung von Schlüsselzuweisungen zuzüglich des Kulturlastenausgleiches: Für 2019 erhielt Gera 79,66 Millionen Euro, bedarfsgerecht wären 90,02 Millionen Euro gewesen. Demnach hat das Land laut Gutachten, der Stadt 10,36 Millionen Euro zu wenig zukommen lassen. Ziel der Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs muss sein, dass alle Thüringer Städte, Gemeinden und Landkreise mit einer entsprechenden Finanzausstattung durch das Land dauerhaft in die Lage versetzt werden, ausgeglichene Haushalte aufstellen zu können. Mit dem Gutachten werden die Landesregierung und der Gesetzgeber (Landtag) aufgefordert, bei der künftigen Bemessung der Höhe der Finanzausgleichsleistungen des Landes an die Kommunen, insbesondere an die kreisfreien Städte, die tatsächlichen Aufwendungen im Sozial- und Jugendhilfebereich deutlich besser abzubilden und zu gewichten. Denn schon seit Jahren sorgen die massiven Kostensteigerungen im Sozial- und Jugendhilfebereich zu einer Unwucht in den kommunalen Haushalten, mit der Folge, dass nötige Unterhaltungsmaßnahmen und Investitionen in Infrastrukturen wie Schulen, Straßen und Wege, Gebäude, Investitionen in den Umwelt- und Klimaschutz, aber auch in freiwillige Leistungen immer mehr zurückgefahren werden müssen. Die kreisfreien Städte fordern die Landesregierung und die Fraktionen im Landtag auf, ihre Ankündigung einer Umgestaltung des Kommunalen Finanzausgleiches schnellstmöglich, in einem ersten Schritt bereits im Jahr 2022, umzusetzen. Die coronabedingten Sonderzahlungen des Bundes und des Landes in den Jahren 2020 und 2021 verdecken das bestehende strukturelle Dilemma aller kreisfreien Städte.

 Mit Auslaufen dieser Sonderzahlungen zeigen sich massive Deckungslücken der kreisfreien Städte, die in einzelnen Städten, wie z.B. in Eisenach, Gera und Suhl bereits seit Jahren mit unterschiedlicher Ausprägung bestehen und diskutiert werden. Ein Beispiel: Eisenach hat zum 1. Juli seine Kreisfreiheit aufgegeben. „Wir können es uns nicht mehr leisten", führt Oberbürgermeisterin Katja Wolf an. Alle sechs Oberbürgermeister von Gera, Jena, Weimar, Erfurt, Eisenach und Suhl fordern signifikante Änderungen im Finanzausgleich, um ausgeglichene Haushalte aufstellen zu können und damit handlungsfähig zu bleiben.

 

Fanny Zölsmann

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