Überfällig und bisher ohne Konzept

VCD Gera regt Debatte zur Nahverkehrsplanung an

Erschienen am 25.11.2020

Die Nachfragen zum neuen Nahverkehrsplan werden lauter, denn in Zeiten von Verkehrswende und alternder Bevölkerung, muss dieser neu gedacht und angepasst werden. Gültigkeit hat derzeitig der Plan, welcher für die Jahre 2015 bis 2018 entwickelt und herausgegeben wurde. Verlängert wurde dieser bereits zweimal und auch wenn im kommenden Jahr ein neuer für die Jahre 2022 bis 2026 beschlossen werden soll, benötigt der bestehende eine weitere Verlängerung.

Es herrscht Uneinigkeit, was sich nicht nur im derzeitigen Streit um den Straßenbahnkauf widerspiegelt. Doch nicht nur hier habe die Stadt geschlafen, denn wie der VCD betont, ist die Verkehrswende bereits eingeläutet und in vielen Städten und Gemeinden laufen Projekte für die Verbesserung der Infrastruktur sowie der Fahrpläne des Nahverkehrs an, nur in Gera nicht. Doch Salz in die Wunde streuen will man nicht und so nutzte die VCD Ortsgruppe Gera bereits im August den Klimapavillon, um mit allen beteiligten ins Gespräch zu kommen. „Es gibt viele gute Ideen und wir wollen diese zusammenbringen, um gemeinsam darüber zu sprechen, wie der zukünftige Verkehrsplan aussehen kann. Klare Zielstellung muss hierbei sein, wohin die Stadt will. Klimaneutraler Verkehr, alternde Bevölkerung und die Zusammenarbeit mit dem Landkreis Greiz sind dabei nur einige zu klärende Punkte", erklärt Gilbert Weise, Vorsitzender der VCD Ortsgruppe Gera, bei der Eröffnung im Pavillon. Schnell kommt man nach einem Vortrag zur Zukunft des Öffentlichen Nahverkehrs ins Gespräch und es wird klar, dass viele Fragen bisher nicht angesprochen wurden und eine Einigung in weiter Ferne liegt. So steht zur Diskussion, ob wieder ein gemeinsamer Nahverkehrsplan mit dem Landkreis Greiz angestrebt wird. „Gebracht hat er nichts, der Landkreis nimmt noch immer nicht den Tarif des Verkehrsverbund Mittelthüringen (VMT) an und auch die bereits geforderte Barrierefreiheit wird nicht umgesetzt. Ein Außenstandort für Mobilität soll nach Gera, aber selbst schafft man es nicht, einen neuen Nahverkehrsplan zu beschließen, der sich an die neuen Gegebenheiten anpasst. So mache man sich lächerlich", ist dabei von Interessierten Zuhörern und von Mitgliedern des Stadtrates zu hören. Deutlich wird auch, dass Anwohner den Nahverkehr gern nutzen würden, aber dieser heute schlechter aufgestellt sei als vor 20 Jahren. Deshalb will man besser auf die Bedürfnisse der Anwohner eingehen und hat für Ideen, Verbesserungen und Kritik eine Mailadresse eingerichtet, über die man direkt mit dem Verkehrsamt ins Gespräch kommen kann. „Wir sind für alle Hinweise offen und wollen diese in der neuen Planung berücksichtigen. Bis Ende des Jahres kann sich jeder unter der Mailadresse Verkehrsamt.NVP@gera.de melden um seine Vorschläge, Ideen oder auch Kritik an uns heranzutragen. Wir hoffen, dass es dadurch weitere Ansätze gibt, mit denen der neue Nahverkehrsplan verbessert werden kann", so Christian Dietrich, Teamleiter Verkehrsplanung/ÖPNV bei der Stadt Gera, während seines Vortrages zur Umsetzung der Planung zum neuen Nahverkehrsplan.
Die Mitglieder des VCD zeigten sich zufrieden mit dem Verlauf und hoffen, dass sich viele Bürger mit Ideen zur Umsetzung des neuen Nahverkehrsplans beteiligen. Auch der VCD selbst hat Vorstellungen und im Gespräch nahmen die Mitglieder gegenüber Neues Gera Stellung zu von uns gestellten Fragen.

Was ist im Rahmen von Verkehrswende und Klimawandel zu beachten und für die kommenden Jahre notwendig?
Die Straßenbahn sehen wir als das Hauptverkehrsmittel im ÖPNV der Stadt. Sie leistet allein rund wwei Drittel aller Fahrten und sollte dies auch und gerade in Zeiten des Klimawandels tun. Wenn es jetzt noch ein dichteres Haltestellennetz gibt, kann der private Pkw zukünftig häufiger in der Garage bleiben. Auch für die älter werdende Generation ist dies von Vorteil, denn 500 Meter mit dem Rollator zu einer Haltestelle zu fahren, ist einfach nur anstrengend.

Werdet ihr aktiv in diese Planung eingebunden?
Seit der Gründung des Fahrgastbeirates sitzen wir als VCD mit am Tisch. Der Fahrgastbeirat tagt zweimal im Jahr.

Gemeinsamer Nahverkehrsplan mit dem Landkreis oder lieber einen eigenen für die Stadt?
Aufgrund der engen Verflechtungen sehen wir in einem gemeinsamen Nahverkehrsplan mehr Vorteile. Allein die Pendlerzahlen sprechen eine klare Sprache. Weit über ein Drittel aller Pendlerfahrten bestehen nur mit dem Landkreis Greiz. Mit dem Busunternehmen Regionalverkehr Gera/Land werden seit Dezember im Nordnetz, also alles nördlich der Dualen Hochschule, die Busleistungen der nächsten Jahren erbracht – insofern ist eine enge Abstimmung auch dort angeraten. Auch wenn absehbar weitere Überlandbusverbindungen für den Fahrgast in der Stadt nutzbar werden, macht sich die Abstimmung einfacher. Sicherlich geht vieles auch getrennt und per separater Vereinbarung, aber für uns überwiegen die Vorteile, wenn man etwas gemeinsam vorantreibt. Hinderlich sind die unterschiedlichen Fahrpreise zwischen Stadt und Landkreis, denn nur die Stadt ist im VMT, der Landkreis nicht. So sollte ein Ziel sein – und war es schon im alten Nahverkehrsplan formuliert – kombinierte Tickets für den Stadtverkehr und den Regionalverkehr zu erwerben. Es sollte sich an dem Motto „Eine Region – ein Fahrplan – ein Tarif – ein Fahrschein" orientiert werden.

Das Verkerhsamt bittet um Ideen und Vorschläge. Welche habt ihr?
Zunächst steht über allem die gesetzlich verankerte Barrierefreiheit ab 2022. Die Stadtbusse sind bereits barrierefrei, und nur noch wenige Regionalbusse müssen schrittweise ersetzt werden. Als nächster Punkt steht die Abarbeitung noch nicht umgesetzter Projekte aus dem gültigen Nahverkehrsplan auf der Agenda. Das wären natürlich die Stadtbahnlinie 4, aber auch die Busverbindung vom Reuß-Park über die Straße des Bergmanns und die Eselsbrücke nach Untermhaus. Neuartig ist der Mikrobus, den wir in Lusan erwarten. Gera wird Smart City, da ginge mehr bei den Fahrgastinfos. Klimagerecht wären Haltestellen mit Solardächern. Zudem schlagen wir die Verlängerung der GVB-Buslinie 17 über Frankenthal nach Töppeln zum Bahnhof vor. Vom Stadtzentrum sollte es eine vertaktete Busverbindung über Leumnitz zum Gewerbegebiet Korbußen (in den Korbwiesen gibt es rund 1.000 Arbeitsplätze) geben, die gern zum Krankenhaus Ronneburg verlängert werden kann. Gerade für den ländlichen Raum ist wichtig, dass der Bus nicht vor dem Dorf endet, sondern mindestens einmal im Ort hält. Also sollte in vielen Orten ein Kleinbus eingesetzt werden, der auch engere Straßen passieren kann. Als Fernziel der Elektromobilität sollten die Ost-West-Verbindung wie auch die Verknüpfung der beiden Zwötzener Äste der Straßenbahn nicht aus den Augen verloren werden.

 

Lars Werner

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