Gesellschaft

Überflutungsflächen statt Mauern

Die Fläche der im Vorjahr aufgelösten Kleingartenanlage in Untermhaus hat sich die Natur in Teilen schon wieder zurückgeholt. Die AHA-Radexkursion entlang der Weißen Elster machte auf Probleme des Hochwasserschutzes aufmerksam. Foto: Jens Lohse

Erschienen am 26.05.2023

Von Jens Lohse 

Gera (NG). Der gemeinnützige und ehrenamtliche Arbeitskreis Hallesche Auenwälder zu Halle/Saale (AHA) setzt sich intensiv für den Schutz, Erhalt und die naturnahe Entwicklung der Weißen Elster, ihrer Fluss- und Auenlandschaften, ihrer Nebengewässer sowie angrenzender Natur- und Kulturlandschaften ein. Aus diesem Grund hatte der Verein kürzlich zu einer Fahrradexkursion durch die Aue der Weißen Elster zwischen Gera und Zeitz eingeladen. Auch wenn nur ganze fünf Teilnehmer der Bedeutung des Themas nicht gerecht wurden, gelang es den Organisatoren auch ohne eingeladene Vertreter der Geraer Stadtverwaltung und der Stadtratsfraktionen auf ihre Sache aufmerksam zu machen. So kritisierte der Arbeitskreis-Vorsitzende Andreas Liste das Verhalten der kommunalen und Landespolitik unter dem Deckmantel des Hochwasserschutzes. „Irgendwelche Mauern werden Hochwasserschäden nicht vermeiden. Man muss der Weißen Elster einfach Überflutungsflächen zurückgeben. Da können sich die Städte nicht aus der Verantwortung stehlen. Schließlich bauen sie oft sogar noch in solche Flächen hinein", sagt Andreas Liste, der die zunehmende Flächenversiegelung anprangert. 

An ganz konkreten Beispielen in der Stadt Gera wurden nach Meinung der Umweltschützer fehlerhafte Entwicklungen aufgezeigt. „Flächen wie die der ehemaligen Textima in Heinrichsgrün sind eigentlich Überflutungsräume. Die Stadt Gera hat dort die Planungshoheit und lässt Ein- und Mehrfamilienhäuser bauen. Lieber räumt man Kleingartenanlagen, was nach unserem Ermessen überhaupt nicht erförderlich wäre", meint der AHA-Vorsitzende, der ausreichend fände, wenn auslaufende Pachtverträge nicht verlängert werden. 

„Wir wollen keine sozialen Härten schaffen. Für die Kleingärtner ist ihr Domizil oft das einzige, was sie sich über viele Jahre geschaffen haben. Das darf man ihnen nicht so einfach wegnehmen", mahnt er. Am Deich in Zwötzen riet er zur Schlitzung und möglichst geringer Eingriffe in die Natur, um der Weißen Elster mehr Raum zu geben. Die Abholzung von 44 Feld-, Eschen- und Spitzahornbäumen am Karl-Harnisch-Sportzentrum bezeichnete er als sinnfrei. Flussabwärts könnten auf der rechten Seite ab der Zwötzener Brücke viele leerstehende und verfallene Industriebrachen beräumt und zurückgebaut werden. Auch dort wären dann Überflutzungsflächen vorhanden. Ungeklärte Eigentumsverhältnisse als Grund für den Sanierungsstau ließ er nicht gelten. „Bei Tagebauen oder Autobahnen spielt das doch auch keine Rolle", mahnte Andreas Liste. 

Auch Karolin Zinkeisen, AHA-Regionalgruppenleiterin Gera-Zeitz nahm an der Radexkursion teil. Ihr liegt die Renaturierumg des Mühlgrabens und die Schaffung eines Naturerkenntnispfades durch Untermhaus besonders am Herzen. Eine komplette Wiederbelebung mit Fließcharakter erscheint nach aktuellem Stand eher unwahrscheinlich. Als Grund sind Verschüttungen, Verrohrung und Überbauung auf Teilabschnitten des Mühlgrabens zu benennen. 

Eine Renaturierung des Bachbettes fördert jedoch die Bildung eines Frischluftkorridors, erhöht den Sauerstoff-Eintrag in die Stadt und steigert die innerstädtische Attraktivität. Zudem kann ein weitestgehend renaturierter Mühlgraben von zahlreichen Insekten- und Vorgelarten beheimatet werden. Selbst ohne durchgängig fließendes Gewässer stellt das Mühlgrabenbett einen wesentlichen Teil von Stadtnatur dar. 

Ein Naturerkenntnispfad mit Startpunkt an der ehemaligen Kleingartenanlage „Elsterufer" (Ecke Kant-/Ernststraße) erscheint sinnvoll und würde sich nach Vorstellungen der AHA-Mitglieder nordwärts über das ehemalige städtische Schulgartengelände erstrecken und das Mündungsgebiet „Bieblacher Bach" bis hin zur Brahme (FFH-Gebiet) einschließen. Baumaßnahmen und andere invasive Eingriffe in die Natur sind auszuschließen, da bereits ein Wanderweg entlang der Strecke besteht. Somit würden Naturentdeckungen für Schulklassen und die junge Generation allgemein zukünftig auch im Auengebiet zwischen Gera-Untermhaus und Gera-Milbitz ermöglicht werden können. Entsetzt zeigte sich Karolin Zinkeisen über die Abholzungen im Biermann-Quartier, wo es vor Ort auch zu Gesprächen mit Anwohnern kam. 25 Säcke Sperrmüll aus zuvor illegaler Entsorgung hatte der Verein zuletzt im Rahmen des Geraer Frühjahrsputzes auf dem Freigelände Leibnizstraße entsorgt. Man hofft, dass die geplante Einfamilienhaus-Siedlung noch einer großen Streuobst-Wiese weichen wird. 

„Auf jeden Fall muss die Bevölkerung mit in den Hochwasserschutz einbezogen werden", so Karolin Zinkeisen, die zudem die geplante Fällung der knapp 100 Winterlinden am Kupferhammer wegen des verlorengehenden Hitzeschutzes für die angrenzenden Häuser kritisierte. Kämpfen werde man zudem gegen die Errichtung eines Campingplatzes an der Brahme-Mündung in Milbitz. Diese Fläche war beim Hochwasser 2013 komplett überflutet.

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