Sport

„Die Aufstiegssaison war meine beste“

Fußball: Hans Mihalovics feierte 85. Geburtstag und erinnert sich an die Liga-Meisterschaft 1966. Er hat auf den Fußballplätzen viel erlebt: der einstige Wismut Gera-Linksverteidiger Hans Mihalovics. Foto: Jens Lohse

Erschienen am 22.09.2023

Von Jens Lohse 

Gera (NG). Der Start der Geraer Wismut-Elf in die Saison 1965/66 war alles andere als erfolgreich und zog schnell Konsequenzen nach sich. Der glücklose Trainer Heinz Ernst wurde bereits nach vier Spieltagen durch Manfred Kaiser ersetzt. „Er war aus Aue zurück, hat mit der Mannschaft abtrainiert und war uns so ohnehin schon sehr nahe. Da bot sich diese Variante förmlich an", erinnert sich der Linksverteidiger Hans Mihalovics, der damals seine beste Zeit in Gera hatte und heute bei anprechender Gesundheit seinen 85. Geburtstag feiert. 

„Er hat alles umgekrempelt, dafür gesorgt, dass wir ab sofort von der Arbeit freigestellt wurden und uns nur auf den Fußball zu konzentrieren brauchten. Er wusste genau, was er wollte, setzte viel auf Disziplin", so der damals 27-jährige Defensivspieler, der im Spieljahr in 29 von 30 Partien zum Einsatz kam („Nur gegen Eisenach fehlte ich wegen einer Grippe"). „Nach außen war Manfred Kaiser nicht einfach. Er war ein Eigenbrötler. Innerhalb der Mannschaft war für ihn Harmonie sehr wichtig. Vor den Spielen sind wir am Freitag Abend immer nach Berga gefahren, haben dort übernachtet und uns in aller Ruhe auf die nächste Begegnung vorbereitet. Er hat aber auch dafür gesorgt, dass am Sonnabend ein Bus mit den Spielerfrauen in der Gagarinstraße abgefahren ist, damit sie ihre Männer auf dem Spielfeld hautnah verfolgen konnten", so Mihalovics in seiner Parterre-Wohnung im Geraer Sonnenhof. Kaiser war es auch, der regelmäßig Vergnügungsabende mit den Frauen im damaligen „keller 68", dem Vorläufer des „Fettnäpfchens" organisieren ließ. 

Jeden Freitag hing der Wochen-Trainingsplan aus. „Dienstags war der intensivste Tag. Da hat er hat er uns in den Wald gejagt, gleich mehrfach auf Schloss Osterstein hoch. Nachmittags gab es dann ein Spielchen", weiß Hans Mihalovics noch genau, der sich auch erinnert, dass mittwochs in Gruppen trainiert wurde. „Die Verteidiger mit Gerd-Rainer Milek, Kurt Kosmanek, Lothar Schnabel und mir waren um 9 Uhr dran. Nach dem Mittag gab es stets ein Übungsspiel der Stammelf gegen die Reserve", so der damals 27-Jährige, der seine Fußballer-Laufbahn in Dresden und Neubrandenburg begonnen hatte. Donnerstags standen Standards und Offensiv-Spielzüge auf dem Programm, ehe am Freitag nach dem Abschlusstraining in der Wismut-Poliklinik auf der Massagebank von Helmut Müller die Spielerwaden durchgeknetet wurden. 

In der sehr ausgeglichen Staffel Süd machte Wismut den anfänglichen Rückstand schnell wett und fand Anschluss zur Spitzengruppe. Erst im letzten Meisterschaftsdrittel wurde der Aufstieg sichergestellt. Die Basis wurde mit dem 2:0 vor 12.000 Zuschauern daheim im Spitzenspiel gegen den da noch punktgleichen Tabellenführer aus Steinach gelegt. Mit einem weiteren 2:0-Erfolg bei Aktivist Karl Marx Zwickau durch Tore von Fritz Schattauer und Peter Richter machte man den Aufstieg am vorletzten Spieltag perfekt. 3.000 Wismut-Anhänger hatten ihr Team begleitet und stürmten nach dem Abpfiff den Platz.

„Am darauffolgenden Donnerstag war Himmelfahrt. Wir waren bei Traktor Frießnitz zum Freundschaftsspiel eingeladen. Anschließend war Tanz im Kulturhaus. Manfred Kaiser hatte festgelegt, dass der Bus um 20 Uhr zurückfährt und alle mussten mit. Da begann es aber erst, richtig schön zu werden", verrät Hans Mihalovics, der nach der Ankunft in Gera deshalb mit einer Gruppe um Mitspieler Hilmar Feetz am Bahnhof schleunigst wieder das Taxi bestieg, um nach Niederpöllnitz zurückzukehren. Das bekam Manfred Kaiser mit. „Am nächsten Tag brannte der Baum. Er hat uns wegen unserer Disziplinlosigkeit mörderisch zusammengefaltet und die komplette zweite Mannschaft für den letzten Spieltag gegen Weißenfels bestellt. Er drohte uns damit, dass wir keine Aufstiegsprämie erhalten. Erst eine gute Stunde vor Spielbeginn hat er seine Meinung geändert. Schließlich war ja auch das Fernsehen da", so Hans Mihalovics. Als die Wismut-Elf gegen Weißenfels zur Pause vor 12.000 Zuschauern mit 0:1 hinten lag, tobte Manfred Kaiser in der Halbzeit. Die Kabinenpredigt verfehlte ihr Ziel nicht. Am Ende hieß es 5:1 für die Geraer. 

In der anschließenden Oberliga-Spielserie 1966/67 lief es für Hans Mihalovics nur selten nach Wunsch. Nur zu sieben Einsätzen kam er. Beim 1:2 gegen den FC Carl Zeiss Jena vor 18.000 Zuschauern wirkte er erstmals mit, als Helmut Müller eine Minute vor Schluss das Siegtor der Gäste erzielte. Mit dabei war der Linksverteidiger auch beim überraschenden 3:0 gegen Dynamo Dresden, das mit Klaus Sammer und Hans-Jürgen Kreische im Stadion der Freundschaft chancenlos war. „Das war unser bestes Spiel. Ich hatte Dresdens Ziegler durch ein Foul unabsichtlich früh außer Gefecht gesetzt. Damals durfte nicht gewechselt werden. Also waren wir praktisch einer mehr auf dem Feld", so Hans Mihalovics. Verletzungen warfen die Geraer immer wieder zurück. Die in der Liga hochgelobte Abwehr präsentierte oft wie ein aufgescheuchter Hühnerhaufen, so dass man postwendend mit 27:57 Toren und 10:40 Zählern - zwei Pluspunkte wurden auch noch abgezogen - gemeinsam mit dem BFC Dynamo wieder abstieg. Von der Rückrunde blieb das 2:4 daheim gegen Wismut Aue in Erinnerung. „Zur Halbzeit stand es noch 0:0. Da kam der Sportinstrukteur der SDAG Wismut aus Karl-Marx-Stadt zur Halbzeit in die Kabine und machte uns klar, dass wir zu verlieren haben, weil Aue der Klassenerhalt noch nicht sicher hatte. Manfred Kaiser wehrte sich, meinte, dass so etwas mit ihm nicht zu machen war. Aber die Verantwortlichen hatten sich schon Kapitän Dieter Fischer geschnappt", hat Hans Mihalovics nicht vergessen. Zweimal glichen die Geraer durch Rudi Bätz und Peter Richter die Gäste-Führung aus. Torwart Dieter „Jaschin" Kühne reagierte mehrfach glänzend. Dann gab Lothar Schnabel eine Verletzung vor, verließ das Feld. Selbst mit einem Spieler mehr tat sich Aue schwer. Beim 2:4 boxte sich Keeper Kühne den Ball nach einer Ecke selbst ins Netz. „Die Leute haben uns hinterher angespuckt, so empört waren sie. Zumindest hat aber unsere Prämie gestimmt. Und zum 1. Mai wurden wir auch noch ausgezeichnet", erinnert sich der Verteidiger, der nach dem Oberliga-Abstieg seine Laufbahn beendete und sein Hochschulstudium abschloss. Im Handel stieg er schnell auf und war ab 1978 Kombinatsdirektor des VEB „Obst, Gemüse und Speisekartoffeln" im Bezirk Gera. Den Wismut-Fußballern blieb er stets treu und stellte ihnen wie später auch der aufstrebenden BSG Elektronik Gera erhebliche finanzielle Mittel aus dem jährlich mit 50.000 Mark gefüllten Fond für Forschung und Entwicklung zur Verfügung. „Es war eine tolle Zeit, die ich nicht missen möchte. Noch heute treffe ich mich in regelmäßigen Abständen mit den alten Haudegen wie Harald Krause oder Heinz Zubek und wir schwelgen in Erinnerungen", so Hans Mihalovics, dem man seine 85 Jahre nicht ansieht.

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