Wirtschaft

Vom Landessieger bis zur Gebäckkanone

Bäckermeister Thomas Bauer und seine Ehefrau Katrin sowie Geselle Marek Seiler (v.r.), seit 20 Jahren im Geschäft, erwarten die Kunden in der Laasener Straße 34. Foto: Jens Lohse

Erschienen am 06.02.2024

Von Jens Lohse

Gera (NG). Die Geschichte der Bäckerei Bauer in der Laasener Straße ist lang. Die Bäckerei wurde 1932 von Erich Ille gegründet. 1970 übernahm dessen Tochter Inge mit ihrem Mann Heinz Bauer das Geschäft. Im Jahr 1999 stieg Thomas Bauer ein, der die Bäckerei seitdem in dritter Generation leitet. Die Ursprünge reichen nachweislich noch weiter zurück. In der Anzeige zur Geschäftsübergabe 1932 schreibt der vorherige Inhaber Bäckermeister Franz List, der seine Backstube gleich um die Ecke auf dem Ziegelberg 7 hatte, von einer 48-jährigen Selbstständigkeit...
Seit 25 Jahren ist nun Thomas Bauer sein eigener Chef. „Ich bin eigentlich gelernter Autosattler, habe dann aber 1997 zum Bäcker umgeschult und meinen Meister gemacht", verrät er und ergänzt: „Das waren unsichere Zeiten nach der Wende. Die Leute wollten erst einmal die Westprodukte ausprobieren. Mittlerweile wollen sie wieder DDR-Brötchen. Ich habe immer auf die handwerkliche Produktion gesetzt, versuche, weitestgehend auf Backmittel zu verzichten. Wir stellen den Sauerteig noch selbst her. Der Trend geht wieder zum Herkömmlichen. Das kommt gut an."
Der kleine, von außen fast unscheinbare Laden in der Laasener Straße 34 wird von den Kunden gut frequentiert. Zwischen Bergschule und Schillerschule gelegen, spielen beide Einrichtungen in Sachen Umsatz eine große Rolle. „Entweder kommen die Eltern vor der Schule, um ihren Kindern hier das Frühstück zu kaufen. Oder sie kommen anschließend, um sich selbst Brot, Brötchen und Kuchen mitzunehmen. In den Ferienzeiten ist es dann im Laden etwas ruhiger", weiß Thomas Bauer. In der Bäckerei hat man sich darauf auch im Sortiment eingestellt. So hat man „Tierbrötchen" im Angebot. „Meine Tochter Madeleine wollte immer eine Schildkröte. Den Wunsch konnten wie ihr damals nicht erfüllen. Aber ich habe ihr zumindest Schildkrötenbrötchen gebacken, die wir dann auch ins Sortiment aufgenommen haben. Inzwischen gibt es einen ganzen Zoo. Mäuse-, Igel-, Krabben-, Tintenfisch-, Eulen- und Elefantenbrötchen hatten wir schon", erzählt der 56-jährige Bäckermeister.
Die meisten Kunden kommen aber wegen der Pfannkuchen in die Bäckerei Bauer. „Viele sagen, das sind die besten in der Stadt. In der Faschingszeit ist der Bedarf natürlich besonders groß. Da öffnen wir sogar extra am Rosenmontag", verrät Thomas Bauer, dessen Geschäft sonst seit zwei Jahren montags geschlossen hat. „Wir brauchten einen zweiten freien Tag in der Woche. Schließlich wollen wir gesundheitlich unbeschadet bis zur Rente kommen. Der Montag ist jetzt mein Bürotag. Sonst habe ich das alles am Sonntag erledigt. Und wer glaubt, wir kommen dem papierlosen Büro näher, der täuscht sich gewaltig", berichtet er.
Zurück zu den Pfannkuchen. 2.000 Stück produziert die Bäckerei am Rosenmontag. Am Faschingsdienstag sind es noch einmal 300 mehr. Bereits um Mitternacht macht sich der Bäckermeister an die Arbeit. Alles muss gut vorbereitet sein. An beiden Tagen gibt es keinen Kuchen, reichen die Kapazitäten nur für Brot, Brötchen und viele, viele Pfannkuchen.
„Viele Kunden kommen zu uns, weil wirklich alles hausgemacht ist. Zum einen schmeckt man das, zum anderen ist es gut für Allergiker, deren Zahl immer mehr zunimmt", verrät Thomas Bauer, der sich den Herausforderungen der Zeit stellt. Explodierende Energie- und Rohstoffpreise, der angehobene Mindestlohn - alles führt zu Kostensteigerungen. Mit einer kürzlich in Betrieb gegangenen Photovoltaik-Anlage auf dem Dach will die Bäckerei die Stromkosten um ein Drittel reduzieren.
Wie es später einmal mit der Bäckerei weitergeht, weiß er noch nicht. Der 33-jährige Sohn Christian und dessen Schwiegertochter sind zwar Bäckermeister, leben aber inzwischen in Norwegen - Rückkehr ungewiss. Ausbilden tut Thomas Bauer - und das in höchster Qualität. 2010 wurde Marcus Hübner im Lehrlingswettbewerb Kammerbezirksmeister in Ostthüringen. 2018 wurde Emma Ehrhardt sogar Landessiegerin. Beide sind Kinder befreundeter Bäckermeister in Vollmershain und Mohlsdorf gewesen, die inzwischen selbst die Bäckereien übernommen haben und viel für den Erhalt des traditionellen Handwerks tun. Derzeit hat Thomas Bauer zwei Lehrlinge im Betrieb. „Vor Jahren gab es noch zehn Lehrstellenanwärter pro Jahr. Heute freuen wir uns über jede Bewerbung", gibt Thomas Bauer den allgemeinen Trend auf dem Ausbildungsmarkt wieder.
Zum Angebot der Bäckerei Bauer gehören mittlerweile mehr als zehn Sorten von Vollkornbrötchen. Viele davon sind selbst kreiert. Ein besonderes Faible hat Thomas Bauer auch für Motiv-Torten entwickelt. „Auch da war ein Kindergeburtstag in den 1990er Jahren der Ursprung, als ich versucht habe, etwas auf die Torte zu malen. Das hat sich zu einer Leidenschaft entwickelt. Einmal habe ich eine Torte mit der Belantis-Achterbahn und erst kürzlich eine mit dem Glacier-Express in der Schweiz angefertigt. Auch an ein Firmenjubiläum einer Höhensicherungsfirma kann ich mich noch erinnern. Das macht Spaß. Da ist der Ehrgeiz geweckt, solche Dinge umzusetzen", verrät Thomas Bauer.
Vor sechs Jahren wurde der Laden neu eingerichtet, wobei die Tradition nach wie vor eine große Rolle spielt. Die dekorative Klappe eines historischen Backofens im Verkaufsraum ist der Hingucker. Auch das Original-Geschäftsbuch des Opas ist ausgestellt. Eine Verkäuferin hat sich nur wegen des so schön eingerichteten Ladens um eine Stelle beworben.
Alte Maschinen sind nicht nur zusehen, sondern werden auch noch benutzt.
Neben noch gut funktionierenden Maschinen aus den Jahren 1937 und 1957 schießt die mehr als 130 Jahre alte Gebäckkanone den Vogel ab, die nach wie vor täglich im Einsatz ist und zu den Heiligtümern der Bäckerei Bauer gehört.

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