Politik

Geras Oberbürgermeister Julian Vonarb im Interview

Corona und der neue Alltag in Gera

Erschienen am 05.06.2020

Was war Ihr erster Gedanke, als Sie wussten, dass auch Gera vom Lockdown betroffen sein wird?
Sofort wurde mir klar, dass uns das Coronavirus als „unsichtbarer" Gegner für einige Zeit alles abverlangen wird. Meine Devise war allerdings von Anfang an: Ärmel hochkrempeln und los geht's! Und klar war auch, dass einerseits die Kommunikation besser als 2013 laufen muss und das die Gesamtsituation enorme Folgen für die gesamte Stadt haben wird. Diese sind immer noch nicht vollumfänglich abzusehen. Im Verlauf des Krisenmanagements sind die Oberbürgermeister der kreisfreien Städte aber schon mehrfach mit dem Thüringer Ministerium im Austausch gewesen, um schon spürbare Folgen zu kommunizieren und Hilfe einzufordern.

Was war Ihre erste Amtshandlung?
Schon vor dem Lockdown am 16. März haben wir uns intern entsprechend organisiert und die Lage täglich seit Ende Februar bewertet. Deswegen wurde auch schon vor dem eigentlichen Lockdown am 16. März der Krisenstab Gera einberufen. Das war auch gut so. Wir liefen zu keinem Zeitpunkt hinterher und waren im Tagesgeschäft durch das umsichtige Handeln schnell in der Lage zu handeln.

In Sachen Krisenstab der Stadt Gera haben Sie sofort die Öffentlichkeitsarbeit übernommen. Welche Aufgaben hatten/haben Frau Wanzar und Herr Dannenberg?
Herr Dannenberg leitet zuständigkeitshalber den Krisenstab seit dem ersten Tag. Frau Wanzar ist als Dezernentin für den Bereich des Gesundheitsamtes die fachliche Ansprechpartnerin und Koordinator. Es müssen sehr viele Schnittstellen Hand in Hand zusammen arbeiten, nach außen, wie nach innen. Das Thema ist so komplex, dass es eine breite Beteiligung beider Dezernate bedarf. Aber einfach ausgedrückt: die fachliche Verantwortung liegt im Gesundheitsamt, der Krisenstab organisiert alles darum herum. Mir ist wichtig zu betonen, dass die Arbeit in der Krise eine Gesamtleistung ist. Jedes Dezernat und jede kleinste Einheit musste einen Beitrag dazu beisteuern, dass Gera effektiv und schnell handeln konnte. Jede einzelne Schnittstelle hat sehr gut funktioniert, alles lief und läuft Hand in Hand – ein großer Erfolg, den es in der kommenden Zeit zu verteidigen gilt. Gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern.

Sie haben über viele Wochen täglich die Bürger per soziale Medien auf dem Laufenden gehalten, welche Resonanz haben Sie hierbei erfahren?
Ich habe es geschafft, für mich wichtige Schwerpunkte im Krisenmanagement durch transparente Kommunikation ungefiltert an alle Bürgerinnen und Bürgern weiter zu geben, Details zu erklären und Missverständnisse aus der Welt zu räumen. Auch habe ich durch verschiedene Drehorte und Interviewpartner ein vielschichtiges Bild der Auswirkungen der Krise in den verschiedensten Bereichen Geras gezeigt. Das kam wirklich gut an und bekam sogar überregionalen Zuspruch von Bewohnern Thüringer Städte und Landkreise. Das tägliche Update der neusten Zahlen wurde für viele schnell zum Ritual. Natürlich gab es auch Meldungen und Entscheidungen, die mit Unmut aufgenommen wurden. Dies betraf vor allem Regelungen auf Landesebene, die auch wir in Gera zwangsläufig durchsetzen mussten. Wichtig war vom ersten Tag an möglichst viele Menschen zu erreichen. Nicht jeder hat ein Abonnement einer Zeitung, im Radio erhält man z.B. auch nicht immer die stadtspezifischen Informationen. Wir haben versucht alle Kanäle die zur Verfügung stehen zu nutzen. Egal ob klassische Zeitung, unseren lokalen Fernsehsender Kanal 42, lokales Radio, unsere Webseiten oder die sozialen Netzwerke wie Facebook und Instagramm. Sogar über Broadcastlisten in WhatsApp wurden die Nachrichten verteilt.

Wie sah Ihre und die Arbeit Ihres Dezernats in den letzten Wochen aus?
In jedem Dezernat kam es zu Umstrukturierungen durch veränderte Personaleinsatzsituationen. Museen wurden zum Beispiel geschlossen, es wurde ein Krisenstab einberufen usw. Auch in meinem Dezernat wurde sich streckenweise ausschließlich mit der Krisenbewältigung beschäftigt. Allgemeinverfügungen mussten entstehen, Videos vorbereitet und gedreht, interne und externe Kommunikation stand im Vordergrund. Dazu kommt natürlich genauso die Umsetzung der Erfordernisse aus den Hygienevorschriften die auch in der gesamten Stadtverwaltung gelten. Die Zuständigkeit hierfür liegt grundsätzlich im Amt für Personal, Recht und zentrale Dienste.
Allerdings konnten auch Projekte vorangetrieben werden. Die Arbeit ging natürlich weiter. So hat sich viel an der Onlinepräsenz der Stadt getan, die unter unser.gera.de neu strukturiert wurde. Im Ergebnis haben aber alle Dezernate sich den besonderen Herausforderungen gestellt und Hand in Hand gearbeitet. Für mich ganz persönlich war und ist es neben dem in der Vergangenheit schon sehr sportlichen Arbeitspensum noch einmal eine deutliche Steigerung. Quantitativ wie qualitativ.

Welche Vorkehrungen haben/hatten Sie für die Stadtverwaltung getroffen?
Der Besucherverkehr in den Ämtergebäuden musste beispielsweise eingestellt werden. Die Arbeit der Kolleginnen und Kollegen ging natürlich weiter, doch eine telefonische Beratung und Terminabstimmung wurde zur Voraussetzung. Außerdem gilt seither eine Pflicht zur Mund-Nasen-Bedeckung bei Betreten der Behördengebäude. Die Beschäftigten selbst erhielten die Möglichkeit eines Schichtsystems und einen ausgeweiteten Arbeitszeitrahmen, um Teams und Abteilungen zu entzerren. Eine Vielzahl von Dienstanweisungen musste vorbereitet und umgesetzt werden. Gerade eine Stadtverwaltung muss grundsätzlich immer, wenn auch bezogen auf den Besucherverkehr in Teilen eingeschränkt, immer funktionsfähig sein.

Wie bewerten Sie die Situation Corona in Gera aus wirtschaftlicher/bürgerlicher Sicht?
Gera hat es wie jede andere Kommune wirtschaftlich hart getroffen. Wir haben versucht, unsere Händler und Dienstleister so gut es geht zu unterstützen. Es gibt natürlich kleine Unternehmen in Gera, die schon vor der Krise kämpfen mussten. Einige haben sich in dieser Zeit entschieden, Ihren Laden nicht mehr zu öffnen, die wirtschaftlichen Schäden waren in Summe zu groß. Aber: Die Kreativität in vielen Unternehmen ist aber auch gestiegen, zum Beispiel: Teilnahme an Wochenmarkt. Dieser ist deutlich größer, da Gastronomen mit Wagen vertreten sind. Außerdem wurden Lieferdienste ins Leben gerufen und Sortimente wurden zum Beispiel auf Maskenproduktion umgestellt. Wir als Stadtverwaltung haben eine Unternehmerhotline eingerichtet, die bis heute aktiv ist und die Online-Plattform lieblingsladen.gera.de ins Leben gerufen. Dies ist eine zentrale und kostenfreie Vermarktungsplattform für Gastronomen, Händler und Unternehmer unserer Stadt. Auf einen Blick sieht man das Profil, das Angebot, Öffnungszeiten, Anfahrtswege usw. Dies stärkt vor allem regionale Händler und Unternehmer, die oftmals keine eigene Onlinedarstellung haben. Mittlerweile gibt es schon über 160 Brancheneinträge.

Corona wird uns nun noch eine Weile begleiten, aber der Alltag / das Leben muss weitergehen. Was können wir 2020 aus der Verwaltung noch erwarten und worauf können wir uns freuen? Welche Ziele haben Sie sich als OB für Gera für 2020 noch gesteckt?
Es wird immer noch maximale Energie in die Krise gesteckt. Auch wenn die Zahlen sich entspannt haben, heißt es noch lange nicht, dass die Pandemie überstanden ist. Trotzdem haben wir die kommenden Monate Großartiges im Blick. Zum Beispiel arbeiten wir mit Hochdruck an der Fortsetzung des Konsolidierungs- und Investitionskurses, so stark wie nie in den letzten Jahren. Außerdem haben wir Anfang März Ihnen und anderen Medienvertretern die Planungen zu einem Jugendforum vorgestellt. Diese verfolgen wir auch weiter. Eines meiner ganz klaren Ziele für die zweite Jahreshälfte ist der Dialog mit jungen Bürgerinnen und Bürgern und daraus abgeleitete Ziele und Aufträge für mich und meine Stadtverwaltung. Außerdem werden Geras Großprojekte wie Smart City und Geras Neue Mitte mit deutlichen Schritten vorangetrieben und bis Jahres Ende wird es viele Zwischenergebnisse und Erfolge geben.

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