Sport

Damals vor 40 Jahren: Gewitterguss und keine Tore für Wismut Gera

Uwe Neuber (67), Matthias Kaiser (67) , Peter Klammt (65) und Heinz Zubek (71/v.l.) gehörten im Mai/Juni 1983 zur Fußball-Mannschaft der BSG Wismut Gera, die in der Oberliga-Aufstiegsrunde mit 7:9 Punkten und 14:17 Toren Rang vier belegte. Foto: Jens Lohse

Erschienen am 02.05.2023

Von Jens Lohse 

Gera (NG). Der Regen prasselte unaufhörlich hernieder. Es war nicht das Berner Wankdorfstadion, sondern das Geraer Stadion der Freundschaft, das an jenem 1. Mai 1983 einen denkwürdigen Nachmittag erlebte. 

Zum Auftakt der Oberliga-Aufstiegsrunde standen sich vor 18.000 Zuschauern mit Wismut Gera und der BSG Chemie Leipzig, die Sieger der DDR-Liga-Staffeln E und C gegenüber. Etwa 10.000 Anhänger aus Leutzsch hatten ihr Team in die Elsterstadt begleitet. Für die Hausherren standen Thomas Runkewitz, Jochen Srp, Uli Göhr, Matthias Kaiser, Michael Klammt, Günther Schmidt, Thomas Schmiecher, Matthias Jacob, Bernd Tipold, Peter Klammt und Heinz Zubek in der Startelf. Ein Gewitterregen sondersgleichen machte die erste Hälfte zu einer Wasserschlacht. Beide Mannschaften scheuten das Risiko. Chemie verlegte sich aufs Kontern und ging in Führung, als Torjäger Hans-Jörg Leitzke einen Freistoß per Kopf verwertete (23.). Von Wismut war in der Offensive nicht viel zu sehen. Gleich nach Wiederbeginn erhöhten die Gäste auf 0:2. Jochen Srp konnte die Außenbahn nicht verteidigen. 

Wismut nutzt Chanen nicht 

Nach einer Eingabe vollendete Frank Kühne im Zentrum ohne Mühe (48.). Die Geraer gaben sich nicht auf. Nach vergebenen Chancen von Heinz Zubek per Kopf und Peter Klammt brachte auch der eingewechselte Andreas Gareis den Ball freistehend aus Nahdistanz nicht an Jörg Saumsiegel im Leutzscher Tor vorbei (64.). „Ich habe noch ein, zwei gute Chancen vorbereitet, aus denen wir aber kein Kapital schlagen konnten", so Joker Gareis. Heinz Zubek scheiterte gar mit einem Foulelfmeter (81.). Zwölf Strafstöße hatte er zuvor in Folge verwandelt. „Aber genau da riss die Serie. Ich bin wie immer angelaufen, habe dann den Anlauf verzögert und auf die Reaktion des Torwarts gewartet. Aber Chemie-Schlussmann Jörg Saumsiegel hat sich einfach nicht bewegt. Mit der Innenseite habe ich dann halbherzig und halbhoch geschossen und der Keeper hat ohne Probleme pariert", erinnerte sich der enttäuschte Schütze, als wäre es gestern gewesen. Kurz darauf rasierte ein 20 m-Schuss von Matthias Kaiser die Lattenoberkante (82.). Es sollte nicht sein. Das Leipziger Tor war wie vernagelt. 

Die 0:2-Niederlage kommentierte Trainer Hans Speth nach Abpfiff mit den Worten: „Wer solche Chancen nicht nutzt, wie wir sie gehabt haben, der kann nicht gewinnen. Doch wir haben gezeigt, dass wir spielerisch in der Aufstiegsrunde mithalten können. In der Mannschaft steckt ein guter Geist, den sie in den kommenden Begegnungen unbedingt beweisen will." 

Zum Aufgebot gehörte auch der in dieser Woche verstorbene Günther Schmidt. „Damals war ich Vorstopper. Das war ein Gänsehautspiel, aber fußballerisch kein Leckerbissen. Nur Kampf und Krampf", erzählte er kurz vor seinem 70. Geburtstag. Für Torhüter Thomas Runkewitz und Matthias Jacob war die Aufstiegsrunde schon nach dem ersten Spieltag beendet. Beide Kicker wurden zur Nationalen Volksarmee eingezogen. Den Wismut-Kasten hüteten fortan Jürgen Zimmermann und Reinhard Timm. 

Nach der 2:3-Pleite bei Schiffahrt/Hafen Rostock und dem 0:3 zu Hause gegen Stahl Riesa - nach neun Minuten lagen die Geraer da schon mit 0:2 im Hintertreffen - war für die Orange-Schwarzen die Aufstiegsrunde praktisch schon nach drei Spieltagen gelaufen. Mit 0:6 Punkten war man Letzter, rappelte sich dann aber auf. Bei Stahl Brandenburg sicherten Andreas Gareis und Uwe Heinzelmann mit ihren Treffern binnen drei Minuten den 2:1-Auswärtssieg. Aus einer sicheren Abwehr heraus und mit einer gehörigen Portion Härte beeindruckten die Geraer die aufstrebenden Brandenburger, die ein Jahr später dann den Sprung in die Oberliga und es wenige Jahre später sogar bis in den UEFA-Pokal schafften. 

Grün-Weiße Wand in Leutzsch 

Durch das 1:4 im Leutzscher Georg-Schwarz-Sportpark vor 15.500 Zuschauern konnte Wismut dann endgültig alle Hoffnungen auf den Aufstieg begraben. „Gefühlt 10.000 Gastgeber-Fans bildeten eine grün-weiße Wand und haben so einen Krach gemacht, dass ich auf dem Platz mein eigenes Wort nicht mehr verstand", so Heinzelmann. Andreas Gareis erzielte das Ehrentor. „In Leutzsch hatten unsere Torhüter einen rabenschwarzen Tag erwischt. An mein Kopfballtor ins Dreiangel zum Endstand erinnere ich mich noch genau", so „Gare", der mit vier Treffern drittbester Torjäger der Aufstiegsrunde war. Beim Stand von 0:2 wurde der bis dahin den Kasten hütende Reinhard Timm, dem bei den ersten beiden Gegentoren krasse Fehler unterlaufen waren, ausgewechselt. Doch auch mit Jürgen Zimmermann kam keine Sicherheit auf. Der 6:2-Kantersieg gegen Schiffahrt/Hafen Rostock nach Treffern von Matthias Kaiser, Uwe Heinzelmann, Andreas Gareis, Bernd Tipold und zwei Eigentoren der Gäste war dann wohl Frustbewältigung. Die beste Leistung der Aufstiegsrunde lieferten die Geraer beim 1:1-Unentschieden bei Stahl Riesa ab. Bernd Tipolds Führungstor (3.) hielt damals bis zur 78. Minute. Ohne Chance auf den Aufstieg war die Lockerheit zurück. Mit dem zweiten 2:1-Erfolg gegen Stahl Brandenburg vermasselte man dem Kontrahenten den möglichen Oberliga-Aufstieg. Mit einem unnachahmlichen Kopfballtreffer nach einer Ecke am kurzen Pfosten hatte Heinz Zubek Wismut in Führung gebracht. Andreas Gareis sorgte später für das Siegtor, ehe Torwart Jürgen Zimmermann und Stahl-Angreifer Peter Schoknecht nach einem Gerangel Rot sahen. 

Auf Rang vier beendeten die Geraer schließlich ihre letzte Oberliga-Aufstiegsrunde. Ein Jahr später stellte der DDR-Fußballverband wieder auf eine zweigleisige Liga um, aus der die beiden Staffelsieger direkt den Sprung ins Oberhaus schafften. Insgesamt hatte Wismut Gera an fünf Oberliga-Aufstiegsrunden teilgenommen, war aber nur einmal erfolgreich. Nach gescheiterten Anläufen 1974 (5.), 1975 (3.), 1980 (4.) und 1983 (4.) stiegen die Orange-Schwarzen 1977 als Zweiter hinter Chemie Böhlen auf. Nach einem 1:1-Unentschieden vor 16.000 Zuschauern am 2. Juli 1977 gegen Böhlen gelang der Sprung in die höchste DDR-Spielklasse, in der man allerdings auch nur eine Spielzeit lang verblieb. 

Die Partien der Aufstiegsrunde dürften vielen Geraer Fußballfreunden in dauerhafter Erinnerung bleiben.

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