Sport

Olaf Ludwig mit dem Rad durch Bulgarien

Auch mit 62 Jahren sitzt Olaf Ludwig (r.) fest im Sattel. Hier gibt er vor dem Start der Geraer Apres Tour 2021 noch ein Interview. Thomas Barth - im Weltmeistertrikot - wartet geduldig. Derzeit ist er bei der Bulgarian Cycling-Tour unterwegs. Foto: Jens Lohse

Erschienen am 16.05.2022

Von Jens Lohse

Gera. 200 Siege hat er als Amateur gefeiert, 65 Rennen als Profi gewonnen. Unvergessen sind seine Etappentriumphe bei der Friedensfahrt und der Tour de France, sein Olympiasieg 1988 in Seoul. Olaf Ludwig ist Ehrenbürger der Stadt Gera und mittlerweile auch wieder in seiner Heimatstadt wohnhaft.
Zum Radsport gefunden hatte Olaf Ludwig erst als Zwölfjähriger. Als Karl-Heinz Oberfranz 1972 die Friedensfahrt-Etappe von Erfurt nach Gera für sich entschied und Olaf Ludwig unter den Zuschauern im bis auf den letzten Platz gefüllten Stadion der Freundschaft weilte, das als Zielankunft diente, da war dem gebürtigen Geraer und seinen Freunden klar: „Wir werden Friedensfahrer!" Am Folgetag fuhren alle von Thieschitz auf die Radrennbahn, wo sie gleich beim ersten Training 20 Kilometer mit einem Rennrad - zu DDR-Zeiten ein Schatz - unterwegs waren. „Die anderen haben nach und nach aufgehört. Ich bin dabei geblieben", erinnerte sich Olaf Ludwig, der als junger Fahrer unter die Fittiche von Trainer Werner Marschner kam. „Ich war 19, er war 60. Da war ich anfangs von vielen seiner Ideen nicht gerade begeistert. Wir waren nicht immer auf einer Wellenlänge", so der zweifache Friedensfahrt-Gesamtsieger. Als er zu einer Geburtstagsfeier des Trainers von seinen Vereinskameraden beauftragt wurde, ein Geschenk zu besorgen und seinem Zitate liebenden Coach mit dem Spruch verblüffte: „Freue Dich Deines Lebens, es ist schon später als Du denkst", rauften sich beide immer besser zusammen. Ein Vertrauensverhältnis entwickelte sich. Selbst als Profi holte er sich bei Werner Marschner noch so manchen trainingsmethodischen Rat.
Olaf Ludwigs größter Erfolg als Amateur war ohne Zweifel der Olympiasieg im Straßeneinzelrennen von 1988 in Seoul. Wenige Tage zuvor hatte er beim 50 km-Punktefahren auf der Bahn als 14. unter 24 Startern kläglich versagt. „Ich hatte mir von den Funktionären eine Taktik aufquatschen lassen, die nicht funktionierte. Am nächsten Morgen hat keiner von denen mehr mit mir gesprochen", so Ludwig, der auf der Straße eigentlich sein letztes Rennen bestreiten wollte. „Ein paar Kilometer vor dem Ziel gab es eine neunköpfige Spitzengruppe ohne mich. Ich hatte noch genügend Kraftreserven. Also bin ich mit Dshamolidin Abdushaparov am Hinterrad nach vorn gefahren. Ich habe den Überraschungseffekt genutzt, bin gleich weiter gefahren und war 1000 Meter vor dem Ziel plötzlich nur noch mit dem BRD-Fahrer Bernd Gröne zusammen. Wenn er mich nicht gerade umfährt, dann konnte ich den Sprint nicht verlieren", erinnerte sich Olaf Ludwig, der jubelnd die Ziellinie überfuhr und danach auch wieder von den Funktionären geherzt wurde. „Sie hatten immer Vertrauen zu mir", haben sie gesagt.
Als Profi bekam Olaf Ludwig nichts geschenkt. Eigentlich hatte er bei Team Stuttgart im Dezember 1989 einen Vertrag unterschreiben wollen. Doch am Vorweihnachtsabend hatte es nicht mit der Unterschrift geklappt, weil der Geraer - damals noch ohne Handy und Navigationsgerät - den Unterzeichnungsort nicht gefunden hatte.
Wenige Tage später machte er auf einer Autobahnraststätte bei Nürnberg per Fax einen Kontrakt mit dem niederländischen Panasonic-Team perfekt und wunderte sich nicht schlecht, dass er nach seiner Rückkehr nach Gera noch am selben Abend im Fernsehen davon erfuhr. In Gera war am nächsten Tag beim Vereins freilich Katerstimmung angesagt. Schon der Pförtner hatte schlechte Laune.
Nun verdient Olaf Ludwig sein Geld mit Radreisen nach Bulgarien und als Organisator von Jedermann-Rennen.
2006 wurde er im Zuge der Dopingenthüllungen als Manager des Team Mobile entlassen. „In dieser Zeit bin ich stark gealtert", sagt der 62-Jährige heute. „Ich habe mir geschworen, nichts mehr mit dem Leistungssport zu tun haben zu wollen. Das, was ich jetzt mache, dabei habe ich viel Spaß", so Olaf Ludwig, der es nach wie vor schafft, Leute für den Radsport zu begeistern.

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